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14.06.2018

DLR: Wetterphänomen Monsun ist Schadstoffreiniger und -transporter in einem

Das weltweit größte Wetterphänomen reinigt die Luft effizient von Schadstoffen, verteilt sie aber auch über den gesamten Globus. Die Ergebnisse des internationalen Forschungsprojektes OMO (Oxidation Mechanism Observation) wurden nun veröffentlicht.

Luftschadstoffe über Südasien 
Quelle: NASA, Jeff Schmaltz LANCE/EOSDIS Rapid Response Eine riesige Schmutzwolke über Südasien: die Atmospheric Brown Cloud entsteht jedes Jahr während der Wintermonate durch die Verbrennung von Biomasse und fossilen Brennstoffen und verschwindet im Frühjahr wieder. Quelle: NASA, Jeff Schmaltz LANCE/EOSDIS Rapid Response

Jedes Jahr bildet sich während der Trockenzeit im Winter eine riesige von Menschen gemachte Schmutzwolke über Südasien: Die "Atmospheric Brown Cloud“ entsteht aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen und Biomasse. So dramatisch die Schmutzwolke von Dezember bis März ist, so unklar war bisher, wie sie während der Regenzeit des Monsuns im Sommer wieder verschwindet. Ein internationales Wissenschaftlerteam unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Chemie und unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) stellte nun fest, dass Aufwinde, Gewitter und chemische Reaktionen für eine effiziente Selbstreinigungskraft in der Atmosphäre sorgen, weil unter Einfluss der Monsungewitter mehr Hydroxylradikale gebildet werden. Die Moleküle wirken wie eine Art Waschmittel, da sie Luftschadstoffe und Vorläufergase von Partikeln oxidieren. Dadurch wird ein Teil der Schadstoffe leichter wasserlöslich und kann mit dem Niederschlag auf die Erde abregnen. Die Schadstoffe jedoch, die nicht ausgewaschen werden, steigen getrieben durch den Monsun bis in die obere Troposphäre und verteilen sich dann weltweit und bis hinauf in die Stratosphäre.

Kein Wetterphänomen prägt Südasien so stark wie der Monsun: Die gigantische Luftströmung führt im Winter zu Trockenheit und Dürre, bringt im Sommer aber große Niederschlagsmengen mit sich. Der Monsun entsteht, in dem sich Luftmassen über dem Indischen Subkontinent in den Sommermonaten sehr stark aufheizen und die warme Luft aufsteigt. Dadurch wird feuchte Ozeanluft angesaugt und strömt über das Land in Richtung Himalaya. Über der Region bilden sich riesige Wolken, aus denen es über Monate hinweg regnen kann.

Naheliegend, aber bisher nicht direkt nachgewiesen war, dass die aufsteigenden Luftmassen auch verschmutzte Luft hoch in die Atmosphäre transportieren, und zwar über die Regenwolken hinaus. "Nach unserer Vorstellung gelangen Schadstoffe und Schmutzpartikel durch die Konvektion in einer Antizyklone, einem riesigen Windwirbel, der sich oberhalb der Wolkenebene über Südasien bildet“, so Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie. "Unsere Forschungsflüge zeigten aber auch, dass Schadstoffe vom Monsun effizient gereinigt werden.“

Mit dem Forschungsflugzeug HALO untersuchten die Forscher die Luftzusammensetzung

Mit Hilfe des vom DLR betriebenen hochfliegenden Forschungsflugzeug HALO stiegen die Wissenschaftler zwischen dem östlichen Mittelmeer und dem Indischen Ozean in Ausläufer der Antizyklone hinein und untersuchten die Luftzusammensetzung. Dabei bestimmten sie zahlreiche chemische Verbindungen, um Aufschluss über die Quellen der Luftverschmutzung und die chemischen Vorgänge in der Atmosphäre zu erhalten: Schwefel- und Stickoxide, Ozon, Aerosolpartikel, chlorhaltige Moleküle, Kohlenwasserstoffe und deren Abbauprodukte.

Die Messflüge ergaben auch, dass beispielsweise die Mengen von Kohlenmonoxid und Schwefeldioxid innerhalb des Antizyklons im Vergleich zu außerhalb deutlich erhöht waren. "Die hohen Schwefeldioxidwertewerte stammen aus Verbrennungsprozessen durch menschliche Aktivitäten und liegen um vieles höher als natürliche Hintergrundkonzentrationen“ so der Atmospährenforscher Dr. Hans Schlager. Das wiederum bedeutet, dass ein wesentlicher Teil der Luftverschmutzung in Höhen bis zu 15 Kilometern transportiert wird. Zudem konnten die Forscher nachweisen, dass Indien eine bedeutende Schadstoffquelle ist. Zuvor wurde vermutet, dass ein großer Anteil der Emissionen auch aus China stammen könnte.

Die Forscher analysierten außerdem die Hydroxyl-Konzentration (OH) und fanden innerhalb des Antizyklons deutlich höhere Konzentrationen als außerhalb. Dieses Molekül ist besser als Waschmittel der Atmosphäre bekannt, da es ein sehr reaktives Radikal ist und Schadstoffe effizient oxidiert. Dies hat chemisch zwei Effekte: Einerseits ändern sich ihre Löslichkeit und das Vermögen, sich in Schwebepartikeln in der Luft abzulagern, wodurch sie durch Niederschlag leichter aus der Luft ausgewaschen werden und auf die Erde regnen. Andererseits können sich die oxidierten Moleküle aneinanderlagern und so neue Aerosolpartikel bilden. Weil sich der Antizyklon weit ausdehnt und die Partikel verteilt, kann sich dieser Effekt auf das Klima weltweit auswirken.

"Atmosphären-Waschmittel“ entsteht durch Monsungewitter

Primär entsteht das "Atmosphären-Waschmittel“ durch die Spaltung von Ozon und Wasser durch Sonnenlicht und nachdem das Radikal mit Schadstoffen reagiert hat, geht es normalerweise verloren. Sind jedoch Stickoxide vorhanden, wird das Radikal recycelt und kann wiederholt "reinigen“. Stickoxide entstehen nicht nur bei der Verbrennung von Diesel, sondern auch durch Blitze in der Atmosphäre. Da es die während der Monsungewitter reichlich gibt, bedeutet das, dass die Selbstreinigungskraft durch die Gewitter trotz der Luftverschmutzung in 15 Kilometer Höhe aufrechterhalten wird. Laut den Wissenschaftlern wird sogar viel mehr OH recycelt als primär produziert, denn es entstehen im Antizyklon mehr als 80 Prozent des OH durch Blitze im Vergleich zu knapp 40 Prozent ohne. Das heißt also, dass die Konvektion des Monsuns nicht nur Schadstoffe hoch in die Atmosphäre pumpt, sondern gleichzeitig einen Reinigungsmechanismus bereitstellt, um einen Teil der Schadstoffe wieder zu entfernen.

Bestätigt wurde diese Erklärung durch die Ergebnisse eines etablierten numerischen Modellsystems, das die chemischen Prozesse in der Atmosphäre global abbildet.

Schadstoffverteilung um den Globus

So effizient die Selbstreinigungskraft innerhalb des Monsunaufwindes auch ist, so zeigten die Mess- und Modellergebnisse des Wissenschaftlerteams auch die Kehrseite des Monsuns: Ein Großteil der aus Südasien stammenden Schadstoffemissionen, die bis über die Monsunniederschläge befördert werden, werden nicht in dem Antizyklon abgebaut. Sie reichern sich vielmehr an und werden rund um den Globus verteilt. So gelangen beispielsweise nahezu zehn Prozent des Schwefeldioxids aus Südasien in die Stratosphäre, was wiederum Auswirkungen auf das Klima und die Ozonschicht hat. So ist der Monsun nicht nur eine Art effizienter Waschmaschine für Schadstoffe, sondern trägt gleichzeitig auch zur weltweiten Luftverschmutzung bei.

Da anzunehmen ist, dass die Schadstoffemissionen in den nächsten Jahren weiter ansteigen, ist es für die Atmosphärenforscher zukünftig von Interesse, wie sich das Gesicht des janusköpfigen südasiatischen Monsuns weiterentwickelt: Bleiben Reinigungs- und Transportmechanismus gleichzeitig bestehen oder kippen sie in die eine oder andere Richtung.

Originalpublikation:

J. Lelieveld, E. Bourtsoukidis, C. Brühl, H. Fischer, H. Fuchs, H. Harder, A. Hofzumahaus, F. Holland, D. Marno, M. Neumaier, A. Pozzer, H. Schlager, J. Williams, A. Zahn, H. Ziereis: The South Asian monsoon – pollution pump and purifier. Science, 14. Juni 2018.

Lesen Sie dies und mehr auf den Seiten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (ausführlicher Bericht, Downloads,, Kontakt, …)

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