Deutsches Klimaportal - Klimadienste für Deutschland

15.03.2019

Tausende Wissenschaftler haben Appell "Scientists For Future" unterzeichnet

Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben einen Appell unter dem Titel "Scientists For Future" unterzeichnet, in dem sie der Schülerstreik-Bewegung "Fridays For Future" den Rücken stärken. klimafakten.de sprach mit dem Initiator, Gregor Hagedorn, über die Beweggründe für die Petition, eine mögliche Kooperation zwischen Wissenschaft und Jugend - und warum die Forscher eigentlich nicht auch streiken.

Mehr als 23.000 Wissenschaftler*innen (Stand 22.03.2019) haben Appell „Scientists For Future“ unterzeichnet 
Quelle: Scientists For Future Mehr als 23.000 Wissenschaftler*innen (Stand 22.03.2019) haben die gemeinsame Stellungnahme deutscher, österreichischer und schweizer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu den Protesten für mehr Klimaschutz unterzeichnet Quelle: Scientists For Future

In einem Aufruf unter dem Motto #Scientists4Future, der am Dienstag veröffentlicht wurde, stellen sich mehr als 19.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem gesamten deutschsprachigen Raum hinter die Forderungen der #FridaysForFuture-Bewegung. Gregor Hagedorn ist am Berliner Museum für Naturkunde tätig, ein Museum, das sich ausdrücklich als Forschungsmuseum versteht. In seiner Freizeit hat er den Forscher-Appell initiiert und koordiniert.

Klimafakten.de hat ein ausführliches Interview veröffentlicht, das Carel Carlowitz Mohn mit Gregor Hagedorn führte. Wir dokumentieren einige Auszüge daraus:

Herr Hagedorn, was gab den Anstoß für den Aufruf von #Scientists4Future?

... Niemand übernimmt Verantwortung, nicht einmal für gröbstes Versagen. Deutschland hat sich im Dezember 2007, also lange vor dem Pariser Abkommen, bestimmte Klimaschutzziele gesetzt und seinerzeit gesagt: Bis zum Jahr 2020 wollen wir den Ausstoß von Treibhausgasen um 40 Prozent relativ zu 1990 reduzieren. Dies entspricht circa 220 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Und wenn wir jetzt feststellen, dass wir die Emissionen voraussichtlich nur um 66 Millionen Tonnen senken werden, wenn wir das Ziel also um 70 Prozent verfehlen werden, dann geht kein Aufschrei durch die politische Landschaft. Wir akzeptieren dieses unglaubliche Versagen einfach. Dabei geht es hier um eine entscheidende Frage für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen unserer eigenen Kinder. Müsste dafür nicht mindestens eine Ministerin, ein Minister gefeuert werden?

Wenn Schüler ihrer Lehrkraft sagen: "Ich plane folgende Arbeit abzuliefern", und die erwidert: "Ja, mit diesem Umfang bin ich einverstanden", und dann kommt die Schülerin oder der Schüler und sagt, "Ich habe nur ein knappes Drittel geschafft" – was gibt denn das für eine Note? Aber in unserem politischen Klima findet das derzeit nicht statt. Wir leben in weiten Teilen unserer Gesellschaft in einem Gefühl der Selbstzufriedenheit und Selbstgefälligkeit ...

Hinter Ihrem Aufruf kann man das Modell des Austauschs von Wissenschaft und Politik vermuten, das mit der Metapher "Truth speaks to power" zusammengefasst wird, also "die Wahrheit spricht zur Macht". Sind wir dann jetzt bei "Truth speaks to students speak to power?"

Nein, das finde ich überhaupt nicht. Die jungen Menschen sprechen und agieren völlig eigenständig. Sie kämpfen um ihre eigene Zukunft. Wir sind ihnen dankbar, dass sie diese Konsequenz haben. Gerade sind wir Wissenschaftlerinnen von Scientists4Future übrigens gefragt worden, ob wir auch streiken. Und nein, wir tun das nicht – wir haben nicht den Mut. Wir würden unser Einkommen, unsere Jobs verlieren, unsere Familien nicht ernähren können. Ich bin total beeindruckt von den jungen Menschen und wünsche mir, dass sie Kraft haben, das weiterzumachen.

... Es gibt viele Elemente der Interaktion zwischen Wissenschaft und Politik, und von der Wissenschaft in die Gesellschaft hinein. Aber diese Kommunikationsmechanismen funktionieren eben nicht ausreichend.

Aber brauchen wir dann noch einen weiteren Appell? Appelle der Wissenschaft an die Politik zum Klimawandel gibt es seit vielen Jahrzehnten. Und Sie haben gerade konstatiert, dass die Politik trotzdem nicht genügend handelt. Muss man da nicht neue Formen der Wissenschaftskommunikation finden?

Was wir hier machen, ist durchaus eine neue Form der Wissenschaftskommunikation. ... Wir gehen jetzt auch in diese politische Grauzone hinein, zu benennen, wo konkret Handlungsbedarf besteht. Wir weiten hier Grenzen aus, und ich finde es begeisternd, wie viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mitmachen.

... Wenn den jungen Leuten vorgeworfen wird, dass sie noch nicht ausgebildet seien, dass sie noch nicht genügend wüssten, können wir Ihnen fachlich den Rücken stärken. Greta Thunberg selbst sagt: Die Politiker brauchen nicht auf die jungen Menschen zu hören, sie müssten eigentlich nur auf die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hören.

Wie könnte man sich den Austausch zwischen der #FridaysForFuture-Bewegung und der Wissenschaft künftig vorstellen? Gibt es Pläne, Überlegungen, dass man zusammenarbeitet, dass sie als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in konkreten Punkten beraten?

Ich glaube, die jungen Menschen von #FridaysForFuture haben genauso einen Anspruch auf Beratung wie andere politische Bewegungen auch. ...

Aber die Kluft zwischen dem, wo Konsens besteht und wo gehandelt wird, die ist in den vergangenen Jahrzehnten immer größer geworden. Wir schließen ein internationales Abkommen nach dem anderen und zucken dann mit den Schultern, wenn halt fast nichts geschehen ist. Das gilt für das Klima wie zum Beispiel auch für die Artenvielfalt absolut identisch.

Was machen wir mit #Scientists4Future? Wir sind keine politische Bewegung wie #FridaysForFuture. Wir werden keine Forderungen für #FridaysForFuture formulieren. Aber wenn sie uns fragen, können wir sie bei ihren Forderungen sicherlich vorab wissenschaftlich über die Korrektheit von Fakten und Annahmen beraten. Ich denke, dies ist eine der Sachen, die Bestand haben wird nach der Unterschriftensammlung: Wir haben innerhalb von vier Wochen ein großes Netzwerk gebildet von Menschen, die aus verschiedensten Perspektiven zu einem gemeinsamen Statement gekommen sind, die also zur Klärung von Fakten in der Lage und dadurch beratungsfähig sind.

Lesen Sie das vollständige Interview und mehr auf den Seiten von klimafakten.de

Zur Stellungnahme auf den Seiten von Scientists For Future

Zusatzinformationen

Nachrichten aus dem Bereich Gesundheit

Meilenstein in der Klima- und Wetterforschung: Wetter- und Klimamodell ICON als Open-Source veröffentlicht31.01.2024

Die Wissenschafts- und Forschungsgemeinschaft in Deutschland und der Schweiz setzt einen Meilenstein …

Neues Klimamodell für präzisere Klimaprognosen: Start des Projekts "Coming Decade"26.01.2024

Die globale Erwärmung schreitet voran. Doch wie wirkt sich dies im kommenden Jahrzehnt auf …

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK