20.11.2018
GEOMAR: Ozeanversauerung begünstigt Massenvermehrung giftiger Alge
Langzeitexperiment belegt Störung des Nahrungsnetzes bei hohen CO2-Bedingungen - Steigen die Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre und folglich auch im Ozean weiter an, könnte dies die massenhafte Vermehrung toxischer Algen begünstigen, mit weitreichenden Folgen für das Nahrungsnetz im Meer. Das hat ein Langzeitexperiment vor den Kanarischen Inseln gezeigt, das eine internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel durchgeführt hat.
Ein Taucher neben einem Mesokosmos vor der Küste von Gran Canaria.
Quelle: Foto: Michael Sswat/GEOMAR (CC BY 4.0)
Die globale Erwärmung ist zweifellos die bekannteste Auswirkung von steigenden Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre. Doch sie ist nicht die einzige. Je höher der Kohlendioxid (CO2)-Gehalt in der Atmosphäre, umso mehr CO2 nimmt auch das Meerwasser auf. Dort löst das Gas chemische Reaktionen aus, die den pH-Wert sinken lassen. Dieser als Ozeanversauerung bezeichnete Prozess beeinträchtigt viele Lebewesen im Meer. Die Folgen für die marinen Ökosysteme können jedoch sehr komplex sein und die Forschung ist noch dabei, sie in ihrer ganzen Bandbreite zu verstehen.
In einem zweimonatigen Freilandexperiment vor den Kanarischen Inseln ist eine international zusammengesetzte Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerin unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel einer möglichen Folge der Ozeanversauerung auf die Spur gekommen, die das Nahrungsnetz im Meer massiv beeinträchtigen könnte. Wie das Team jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht, vermehrte sich die giftige Alge Vicicitus globosus in dem Experiment ab einer Kohlendioxidkonzentration von 600 ppm (parts per million) deutlich, ab 800 ppm kam es zu starken Algenblüten. „Das sind Werte, die wir in den nächsten drei bis vier Jahrzehnten erreichen könnten, wenn die Menschheit den Ausstoß von Kohlendioxid nicht deutlich reduziert“, erklärt Prof. Dr. Ulf Riebesell, Professor für Biologische Ozeanographie am GEOMAR und Erstautor der Studie.
„In unseren naturnahen Versuchsumgebungen hatten diese Blüten einen starken negativen Effekt auf die übrige Planktongemeinschaft, insbesondere das artenreiche tierische Plankton. Genau diese Organismen sind aber extrem wichtig für das Nahrungsnetz im Ozean. Der Zusammenbruch der Nahrungskette beeinflusste darüber hinaus wichtige andere biologisch getriebene Prozesse, wie den Kohlenstofftransport in die Tiefe”, betont Ulf Riebesell.
Unklar ist, ob sich die Ergebnisse der Studie auf andere giftige Algenarten übertragen lassen. Allerdings ist Vicicitus globosus weltweit verbreitet, von den gemäßigten Klimazonen bis zu den Tropen. Blüten der Art wurden bereits wiederholt mit Fischsterben in Küstengewässern und in Aquakulturen in Verbindung gebracht. „Dies ist der erste Nachweis aus einer Freilandstudie, dass Ozeanversauerung giftige Algenblüten fördern kann. Ein weiteres starkes Argument, die CO2-Emissionen zeitnah drastisch zu reduzieren“, fasst Professor Riebesell die Ergebnisse zusammen.
Fachpublikation:
Riebesell, U., N. Aberle-Malzahn, E. P. Achterberg, M. Algueró-Muñiz, S. Alvarez-Fernandez, J. Arístegui, L. Bach, M. Boersma, T. Boxhammer, W. Guan, M. Haunost, H. G. Horn, C. R. Löscher, A. Ludwig, C. Spisla, M. Sswat, P. Stange, J. Taucher (2018): Toxic algal bloom induced by ocean acidification disrupts the pelagic food web, Nature Climate Change, https://doi.org/10.1038/s41558-018-0344-1
Lesen Sie den ausführlichen Bericht und mehr auf den Seiten des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (weitere Informationen und Links, Kontakt, Downloads, ...)