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28.05.2019

AWI: Erwärmung der Arktis führt zu Wetterextremen in unseren Breiten

AWI-Forscher entwickeln Klimamodell, das den schwächelnden Jetstream erklärt - Atmosphärenforscher des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) haben ein Klimamodell entwickelt, das den immer öfter beobachteten Schlängelkurs des Jetstreams, einer großen Luftströmung über der Nordhalbkugel, richtig abbilden kann. Dieser Durchbruch gelang, nachdem die Wissenschaftler ihr globales Klimamodell mit einem neuen Machine-Learning-Algorithmus zur Ozonchemie kombiniert hatten. Mithilfe dieses neuen Kombi-Modells können die Forscher also nun zeigen, dass der wellenförmige Verlauf des Jetstreams im Winter und die damit verbundenen Extremwetterlagen wie Kälteeinbrüche in Mitteleuropa und Nordamerika eine direkte Folge des Klimawandels sind.

Die Veränderungen im Jetstream werden zumindest teilweise vom Rückgang des arktischen Meereises verursacht 
Quelle: Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Foto: Stefan Hendricks Rückgang des arktischen Meereises Die Veränderungen im Jetstream werden zumindest teilweise vom Rückgang des arktischen Meereises verursacht, so das Ergebnis der Untersuchungen. Quelle: Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Foto: Stefan Hendricks

Klimaforscher aus der ganzen Welt gehen seit Jahren der Frage nach, ob der immer häufiger beobachtete Schlängelkurs des Jetstreams über der Nordhalbkugel eine Folge des Klimawandels ist, oder aber ein zufälliges Phänomen. Als Jetstream wird ein starkes Westwindband über den mittleren Breiten bezeichnet, welches die großen Wettersysteme von West nach Ost schiebt. Der Wind weht in etwa 10 Kilometern Höhe rund um die Erde, wird von den Temperaturunterschieden zwischen Tropen und Arktis angetrieben und erreichte früher Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometer pro Stunde.

Mittlerweile aber, so zeigen Beobachtungen, schwächt sich der Wind immer wieder ab. Er weht dann seltener auf einem geradlinigen Kurs parallel zum Äquator, sondern schlängelt sich öfter in Riesenwellen über die Nordhalbkugel. Diese Wellen wiederum führen im Winter zu ungewöhnlichen Kaltlufteinbrüchen aus der Arktis in die mittleren Breiten – so geschehen zum Beispiel Ende Januar 2019 als der Mittlere Westen Nordamerikas von extremer Kälte heimgesucht wurde. Im Sommer dagegen verursacht ein schwächelnder Jetstream langanhaltende Hitzewellen und Trockenheit wie sie Europa unter anderem in den Jahren 2003, 2006, 2015 und 2018 erlebte.

Machine Learning lässt Klimamodell die Rolle des Ozons verstehen

Diese grundsätzlichen Zusammenhänge sind seit einiger Zeit bekannt. Forschern war es bislang aber nicht gelungen, den Schlängelkurs des Jetstreams in Klimamodellen realistisch zu reproduzieren und einen Zusammenhang zwischen dem schwächelnden Wind und den globalen Klimaänderungen herzustellen. Diese Hürde haben die Potsdamer Atmosphärenforscher am AWI nun genommen. „Wir haben einen Machine-Learning-Algorithmus entwickelt, welcher es uns erlaubt, die Ozonschicht als interaktives Element im Modell darzustellen und daher die Wechselwirkungen aus der Stratosphäre und der Ozonschicht mit zu berücksichtigen“, sagt Erstautor und AWI-Atmosphärenforscher Erik Romanowsky. „Mit diesem Modellsystem sind wir jetzt in der Lage, die beobachteten Veränderungen im Jetstream realistisch zu reproduzieren.“

Demnach führt der Meereisrückgang und die damit verbundene größere Aktivität atmosphärischer Wellen zu einer durch das Ozon verstärkten deutlichen Aufheizung der polaren Stratosphäre. Da die tiefen polaren Temperaturen der Antrieb für den Jetstream sind, schwächt dieser sich durch diese Temperaturerhöhung in der Stratosphäre ab. Diese Abschwächung des Jetstreams setzt sich nun ausgehend von der Stratosphäre nach unten durch, was zu Wetterextremen führt.

Schwächelnder Jetstream ist Folge des Klimawandels

Mithilfe des neuen Modells können die Forscher nun auch die Ursachen des mäandrierenden Jetstreams genauer untersuchen. „Unsere Studie zeigt, dass die Veränderungen im Jetstream zumindest teilweise vom Rückgang des arktischen Meereises verursacht werden. Sollte die Eisdecke weiter schrumpfen, gehen wir davon aus, dass die bislang beobachteten Extremwetterereignisse in den mittleren Breiten in ihrer Häufigkeit und Intensität zunehmen werden“, sagt Prof. Dr. Markus Rex, Leiter der Atmosphärenforschung des AWI. „Unsere Ergebnisse untermauern zudem, dass die häufiger auftretenden winterlichen Kaltphasen in den USA, Europa und Asien der Klimaerwärmung nicht widersprechen, sondern vielmehr Teil des menschengemachten Klimawandels sind.“

Ein Fortschritt sind die Arbeiten auch aus technologischer Sicht: „Nach dem erfolgreichen Einsatz von Machine Learning in dieser Studie setzen wir nun erstmals künstliche Intelligenz in der Klimamodellierung ein und erreichen damit realistischere Klimamodellsysteme. Hier liegt ein riesiges Potenzial für die Klimamodelle der Zukunft, von welchen wir uns verlässlichere Klimaprojektionen und damit robustere Grundlagen für politische Entscheidungen erwarten“, sagt Markus Rex.

Auf der im September beginnenden Arktis-Expedition MOSAiC, bei welcher der deutsche Forschungseisbrecher Polarstern ein Jahr lang mit dem Meereis durch die zentrale Arktis treiben wird, wollen die Forscher nun aktuelle Eis- und Atmosphärendaten sammeln. Diese sollen helfen, das neue Klimamodell in die Zukunft laufen zu lassen, um so die künftige Entwicklung des arktischen Klimas und Meereises zu simulieren „Wir wollen im Detail verstehen, wie der Meereisrückgang in der Arktis weitergehen wird. Denn erst auf Basis dieses Wissens können wir genauer beurteilen, wie und in welchem Ausmaß die Veränderungen in der Arktis zu Wetterextremen in den mittleren Breiten führen werden“, so Markus Rex.

Fachpublikation:

Erik Romanowsky, Dörthe Handorf, Ralf Jaiser, Ingo Wohltmann, Wolfgang Dorn, Jinro Ukita, Judah Cohen, Klaus Dethloff, and Markus Rex: The role of stratospheric ozone for Arctic-midlatitude linkages, Scientific Reports, DOI: https://doi.org/10.1038/s41598-019-43823-1

Lesen Sie dies und mehr auf den Seiten des Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) (Link zum Fachartikel, Downloads, Kontakt, …)

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