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14.11.2017

Senckenberg: Partnertausch als Überlebensstrategie - Flechten passen sich durch Algenwechsel an neues Klima an

Einige Flechtenarten können unter sehr unterschiedlichen klimatischen Bedingungen wachsen und sind daher echte Überlebenskünstler. Wie Senckenberg-WissenschaftlerInnen herausgefunden haben, trägt die Bereitschaft zur „Untreue“ zu diesem Erfolg bei: Entlang eines Klimagradienten wechseln flechtenbildende Pilze nämlich ihren Algenpartner. Die Forscher vermuten, dass durch das Eingehen einer Symbiose mit einer jeweils optimal angepassten Alge, einige Flechten relativ schnell auf veränderte Klimabedingungen reagieren könnten.

Symbolbild Flechten 
Quelle: pixabay Flechten auf Holz (Symbolbild) Quelle: pixabay

Flechten sind der klassische Vertreter einer Symbiose – Lebensgemeinschaften in denen Organismen gemeinsame Sache machen, um zu überleben. Jeder der beiden Partner, Pilz und Alge, hat dabei klare Aufgabenbereiche. Doch auch hier gilt wohl: „Augen auf bei der Partnerwahl“. Wie Frankfurter Forscher herausgefunden haben, könnte die Alge nämlich entscheidend dazu beitragen, wie gut der flechtenbildende Pilz jeweils in verschiedenen Klimata zurechtkommt.

Prof. Imke Schmitt, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum dazu: „Wir konnten nachweisen, dass die flechtenbildenden Pilze Lasallia pustulata und Lasallia hispanica je nach Standort mit unterschiedlichen Grünalgen aus der Gattung Trebouxia zusammenleben. An den Standorten herrscht unterschiedliches Klima. Die Vermutung liegt daher nahe, dass der Austausch von Algenpartnern ein Mechanismus der flechtenbildenden Pilze ist, sich an unterschiedliche Klimabedingungen anzupassen.“

Ins Visier der Wissenschaftler gerieten die beiden eng miteinander verwandten Flechten Lasallia pustulata und Lasallia hispanica weil sie unterschiedliche Höhenlagen besiedeln, aber im mittleren Höhenbereich auch gemeinsam wachsen. Zusammengenommen erstreckt sich ihr Lebensraum im Mittelmeergebiet von 0 m bis hinauf auf 2.100m Höhe über den Meeresspiegel. Da die äußeren Bedingungen mit zunehmender Höhe maßgeblich kälter und nasser werden, ist das ein ideales Studiengebiet, um den Einfluss des Klimas auf die Pilz-Algen-Symbiose zu testen.

Das Team untersuchte die Lebensgemeinschaften der Algen in den beiden Flechten mit molekularbiologischen Hochdurchsatzverfahren, um herauszufinden wo genau, welcher Pilz mit welchem Algenpartner zusammenwohnt. Die Analyse der rund 23 Millionen dabei generierten DNA-Sequenzen der Grünalgen zeigt: „Die flechtenbildenden Pilze können theoretisch mit sieben verschiedenen Trebouxia-Arten zusammenleben. Tun sie aber nicht überall. Es gibt sowohl „Schönwetter“-Algenpartner für warme, frostfreie Umgebungen im Tal als auch „Schlechtwetter“-Algenpartner für die Höhenlagen, so Schmitt.

Aber nicht nur das Klima bestimmt, welche Alge verwendet wird, sondern auch der Pilzpartner hat bestimmte Vorlieben. Wenn beide Arten, Lasallia pustulata und Lasallia hispanica, am selben Ort vorkommen und dort auch mehrere Algenarten vorhanden sind, werden die einen Algen bevorzugt von der einen Pilzart verwendet, die anderen von der anderen. Und das, obwohl mehrere Trebouxia-Arten frei unter beiden Pilzarten miteinander getauscht werden können.

Wenn sich die Flechten tatsächlich durch die Wahl des Algenpartners an das Klima anpassen könnten, hätten sie anderen Organismen etwas voraus. „Es ist möglich, dass es der flechtenbildende Pilz innerhalb weniger Generationen schaffen könnte, statt mit der bisherigen Algenart mit einer anderen zusammen zu leben, die optimaler an die neuen Umweltbedingungen angepasst ist“, erklärt Schmitt und ergänzt: „Das wäre entscheidend schneller als sich durch Veränderungen im Erbgut an neue Klimabedingungen anzupassen. Dieser ‚klassische Weg’ kann sich nämlich über Millionen von Jahren erstrecken.“

Fachpublikation:

Dal Grande, F., Rolshausen, G., Divakar, P. K., Crespo, A., Otte, J., Schleuning, M. and Schmitt, I. (2017), Environment and host identity structure communities of green algal symbionts in lichens. New Phytol. doi:10.1111/nph.14770

Lesen Sie dies und mehr auf den Seiten der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (Kontakt, Link zum Fachartikel, …)

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