Deutsches Klimaportal - Klimadienste für Deutschland

12.12.2017

PIK: Winzige Eisverluste an den Rändern der Antarktis können Eisverluste in weiter Entfernung beschleunigen

Wenn kleine Flächen des schwimmenden Eises an der Küste der Antarktis dünner werden, kann das die Bewegung von Eis beschleunigen, das hunderte Kilometer entfernt auf dem Festland aufliegt. Das zeigt eine neue Studie. Es ist bekannt, dass die schwimmenden Eisschelfe, die den Kontinent umgeben, die Eissströme vom Land in den Ozean regulieren. Bisher wurde angenommen, dass der Eisfluss besonders anfällig für das Abschmelzen an der Unterseite der Schelfe nahe der Aufschwimmlinie ist, wo das Eis vom Land ins Meer fließt. Nun fanden Wissenschaftler heraus, dass auch das Schmelzen in der Nähe der Ränder und inmitten der Schelfeisflächen direkte Auswirkungen haben kann, die bis weit ins Landesinnere reichen. Dies könnte den Eisverlust und damit potentiell den Anstieg des Meeresspiegels erhöhen.

Wirkung von Eisverlusten an den Rändern der Antarktis 
Quelle: PIK (Abb. 2b aus Reese et al, 2017 Wirkung von Eisverlusten an den Rändern der Antarktis Ross-Schelfeis: Änderung der Eisströmungsgeschwindigkeit (blaue Schattierung), ausgelöst durch um 1 m dünner werdende Eisfläche (in rot), Ozean in grau. Quelle: PIK (Abb. 2b aus Reese et al, 2017

„Eine Destabilisierung des schwimmenden Eises in einer Region kann ein weitreichendes Signal senden, das bis zu 900 Kilometer weit quer über das größte Eisschelf der Antarktis reichen kann, das größer ist als Deutschland", sagt Hauptautorin Ronja Reese vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Das geschieht mit einer unglaublichen Geschwindigkeit – ähnlich der, mit der sich die Erschütterungen eines Erdbebens fortsetzen." Beobachtungen zeigen, dass das schwimmende Eis, das die Antarktis umgibt – die so genannten Eisschelfe – dünner wird. Es ist deshalb wichtig, die Folgen für die riesigen Eismassen an Land besser zu verstehen. Die Wissenschaftler führten Computersimulationen des Eisflusses in der Antarktis durch, um mögliche Folgen der globalen Erwärmung zu untersuchen, die durch Treibhausgasemissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas verursacht wird.

Die Gefahr für die Stabilität des Eises liegt in der Tiefe des umgebenden Meeres

„Die Lufttemperatur über dem größten Teil der Antarktis liegt ständig unter dem Gefrierpunkt – das Hauptrisiko für die Stabilität des Eises kommt aus den Tiefen des Meeres, das den Kontinent umgibt", erklärt Ko-Autorin und Projektleiterin Ricarda Winkelmann vom PIK. Wärmeres Wasser vor der Küste, das in die Bereiche unter den Eisschelfen eindringt, kann das schwimmende Eis dünner machen. Da sich dieses Eis bereits im Wasser befindet, trägt sein Schmelzen nicht direkt zum Anstieg des Meeresspiegels bei. „Allerdings sind die Eisschelfe von enormer Bedeutung, da sie den Eisfluss aus dem Inland in den Ozean abbremsen. Veränderungen in den Eisschelfen können einen großen Einfluss auf den Spannungszustand an der Aufschwimmlinie der kontinentalen Eismassen haben. Dieser Prozess ist tatsächlich der Hauptgrund für den derzeit beobachteten Beitrag der Antarktis zum Meeresspiegelanstieg."

„Dies ist das erste Mal, dass die Auswirkungen des Dünnerwerdens von Eisschelfen in der Antarktis systematisch quantifiziert wurden", sagt Ko-Autor Hilmar Gudmundsson vom British Antarctic Survey in Cambridge, Großbritannien. „Wir hatten erwartet, dass die Auswirkungen bedeutend sein könnten – jetzt wissen wir, dass es so ist."

Kartierung kritischer Regionen

Die Wissenschaftler konnten die Bereiche des schwimmenden Eises identifizieren, die die stärkste Reaktion auslösen können. Sie stellten fest, dass sich diese Regionen einerseits in der Nähe der Aufschwimmlinie von Eisströmen und Eiserhebungen befinden. Sie liegen aber auch am Rande und in der Mitte einiger Eisschelfe – oft an den Stellen, die den umliegenden Gewässern der Antarktis am nächsten liegen, und damit stärker gefährdet sind. In den südlichsten Meeren der Erde können einige der unteren Schichten des Ozeans wärmer sein als die oberen Schichten, die der kalten Luft darüber näher sind.

„Unser Ansatz ist rein diagnostisch und kann nicht direkt in eine Vorhersage des Eismassenverlusts übersetzt werden, dennoch zeigt er die Risiken, die wir in der Antarktis eingehen, wenn wir die Erwärmung unseres Planeten nicht begrenzen", sagt Ko-Autor Anders Levermann vom PIK und der Columbia University, New York. „Wir haben die kritischsten Bereiche des schwimmenden Eises kartiert, die selbst bei einer geringfügigen Änderung der Eisdicke eine starke Reaktion des Inlandeises auslösen können. Hier braucht es eine gezielte Beobachtung der Veränderungen der Eisdicke und der Meerestemperatur unterhalb dieser Gebiete. Und es kann uns allen als Warnung dienen, dass das, was als ewiges Eis bezeichnet wird, doch nicht so ewig sein könnte. Andererseits bedeutet dies aber auch, dass die Begrenzung der globalen Erwärmung notwendig ist, um die antarktischen Eismassen zu stabilisieren, viele Meter zusätzlichen Meeresspiegelanstiegs zu vermeiden und damit Städte wie New York, Hamburg, Mumbai und Shanghai zu schützen."

Fachpublikation:

Ronja Reese, Hilmar Gudmundsson, Anders Levermann, Ricarda Winkelmann (2017): The far reach of ice-shelf thinning in Antarctica. Nature Climate Change [DOI: 10.1038/s41558-017-0020-x]

Lesen Sie dies und mehr auf den Seiten des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) (Link zur wissenschaftlichen Studie, Kontakt, …)

Zusatzinformationen

Nachrichten aus dem Bereich Küstenschutz

Ereignisbündel verstärken Klimafolgen18.03.2024

Forschungsprojekt untersucht Möglichkeiten zur Anpassung der Nordseeküste an den Klimawandel

Meilenstein in der Klima- und Wetterforschung: Wetter- und Klimamodell ICON als Open-Source veröffentlicht31.01.2024

Die Wissenschafts- und Forschungsgemeinschaft in Deutschland und der Schweiz setzt einen Meilenstein …

Neues Klimamodell für präzisere Klimaprognosen: Start des Projekts "Coming Decade"26.01.2024

Die globale Erwärmung schreitet voran. Doch wie wirkt sich dies im kommenden Jahrzehnt auf …

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Weitere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den folgenden Link: Datenschutz

OK