Deutsches Klimaportal - Klimadienste für Deutschland

28.04.2016

"Begrenzter Nutzen, inadäquate Geschäftsmodelle": Deutliche Kritik an "Climate Services"-Anbietern

In den vergangenen Jahren sind weltweit zahlreiche Institutionen entstanden, die Erkenntnisse der Klimaforschung in praktisch nutzbares Wissen übersetzen sollen. Doch ihre Bilanz ist durchwachsen, schreibt der einstige Direktor des deutschen Service-Centers, Guy Brasseur, nun in einem Fachaufsatz - und macht Reformvorschläge. Darüber berichtet klimafakten.de.

Vor gut zehn Jahren ist die Klimaszene um eine neue Art von Akteur reicher geworden: sogenannte "Climate Service"-Zentren, -Institute oder -Agenturen. Darunter versteht man Einrichtungen, die Erkenntnisse der Klimawissenschaft für die Praxis aufbereiten sollen - zum Beispiel für Politik, Behörden oder Unternehmen. Ursprünglich nämlich (und zu einem Gutteil auch heute noch) produzierten Klimaforscher große Mengen an Daten und Wissen, die allenfalls als Rohmaterial für Entscheidungsträger taugen: Welche Veränderungen beispielsweise an Nordseedeichen sinnvoll sind, geht aus Erkenntnissen zum Anstieg der Meeresspiegel ja nicht direkt hervor.

Neben die klassische Klimaforschung sind also seit den 2000er Jahren die "Climate Services" getreten. Weltweit und auch in Europa entstanden eine ganze Reihe solcher Dienstleister fürs Übersetzung klimawissenschaftlicher Erkenntnisse. Der einstige Direktor einer solchen Einrichtung in Deutschland, Guy Brasseur, hat in einem Aufsatz im Fachjournal Earth's Future (gemeinsam mit seiner chilenischen Kollegin Laura Gallardo) nun eine Bestandsaufnahme - und eine Art Manöverkritik - vorgelegt. Und gemessen an der Zurückhaltung, die in der Wissenschaftssprache üblich ist, findet er sehr deutliche Worte: Die bisherigen Erfolge der Climate Services seien, so Brasseur, "eindeutig begrenzt". Es herrsche ein "Mangel an relevanten Produkten und Dienstleistungen", viele Mitarbeiter wüssten nicht, was die Abnehmer der Informationen wirklich brauchen, und die Insitutionen generieren nicht die geplanten Einnahmen, ihr "Business-Modell" sei "inadäquat".

Oft dominiere auch noch ein altes Kommunikationsmodell, nämlich die Ansicht, dass Wissen ein Privileg der Forscher sei, das von oben nach unten zu den Unwissenden verbreitet werden müsse. "Heute ist allgemein anerkannt", gibt Brasseur den Stand der Sozialforschung zutreffend wieder, "dass Kommunikation die Verhaltensweisen von Menschen nicht substanziell ändern wird, wenn sie sich ausschließlich auf wissenschaftliche Fakten stützt." Nötig sei stattdessen, soziale Normen und individuelle Weltsichten zu berücksichtigen.

Für viele Probleme der Climate Services, auch das wird in dem Aufsatz klar, sind weniger deren Mitarbeiter verantwortlich - sondern sie gehen eher auf politische und strukturelle Entscheidungen zurück. Die wichtigste Empfehlung Brasseurs betrifft das Personal: Dies sei bisher zu homogen, viele Institutionen seien "bevölkert mit Wissenschaftlern, die beschränkte Erfahrungen haben über die operativen Grenzen ihrer Kunden". Stattdessen würden mehr Ökonomen und Soziologen gebraucht, Stadtplaner und Sozialmanager, Praktiker aus der Wirtschaft und Kommunikationsspezialisten - jedenfalls "Experten, die die Unternehmenskulturen in der Privatwirtschaft verstehen oder die vertraut sind mit den Abläufen in Politik und Verwaltung".

Climate Services seien jedenfalls weniger Forschungseinrichtungen - sondern eher "operative Institutionen, die kurzfristig und in strikten Zeitrahmen klare Antworten auf Kundenanfragen zu liefern haben".

Publikation:

Brasseur, G. P. and Gallardo, L. (2016), 'Climate services: Lessons learned and future prospects‘, Earth's Future, 4: 79–89.

DOI:10.1002/2015EF000338

Direkt zur Publikation auf den Seiten von Earth's Future (in Englisch)

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